Wir arbeiten zu wenig!
Klingt komisch, wo doch die meisten Mitarbeiter bei dem Thema: Schöne neue Arbeitswelt: Erschöpft, ausgebrannt und arbeitsmüde, klagen dass sie überlastet und gestresst sind.
Diese These zielt nicht darauf ab, dass eine Überlastung nicht der persönlichen Realität entspricht, sondern darauf, dass wir zum großen Teil in Organisationen arbeiten, in denen die Menschen systematisch von der Arbeit abgehalten werden.
Denn es gibt einen Unterschied zwischen Arbeit und Beschäftigung: Echte Arbeit ist immer Arbeit für andere, alles andere ist Beschäftigung. Arbeit hat immer einen Bezug nach außen, es geht um eine Leistung für einen Kunden, darum, ein Problem zu lösen. Doch in vielen Unternehmen tritt das so sehr in den Hintergrund, dass die meisten Mitarbeiter alles Mögliche tun, nur nicht arbeiten. Sie spielen Arbeit, man kann es auch Business Theater nennen. Das klassische Meeting ist ein Beispiel. In vielen Meetings geht es weniger darum, tatsächlich Zusammenarbeit zu organisieren, sondern vielmehr darum, Hierarchien deutlich zu machen (s. Spiegel Online Karriere/Meetings). Das Mitarbeitergespräch ist ein anderes Beispiel. Im Privatleben würde es heißen: „Du, Schatz, mach doch schon mal die Zielplanung fürs nächste Jahr, wir haben doch nächste Woche unser Beziehungsgespräch.“ Das würde niemand zu seinem Partner sagen, weil es unnatürlich und unsinnig ist. Doch in einer Firma nennt sich das professionell. In den meisten Fällen leidet die Führungskraft darunter, sich durch eine immer länger werdende Fragencheckliste kämpft. Und der Mitarbeiter weiß genau, dass er an seinen Antworten gemessen wird. Er antwortet dann nicht das, was er für richtig hält, sondern das, von dem er glaubt, dass der Chef es für richtig hält (s. Spiegel Online Karriere/MA-Gespräch). Der Kunde oder die tatsächliche Aufgabe tauchen in diesen Gesprächen fast gar nicht auf.
Organisationen neigen dazu, Strukturen aufrecht zu erhalten, die in der Vergangenheit wichtig und richtig waren und das Überleben gesichert haben. Das führt aber dazu, dass sich Mitarbeiter in einem ständigen Spagat zwischen Bürokratie und Kundenbedürfnissen befinden. Die wichtigste Aufgabe von Führung ist es, sich diesem Spannungsverhältnis zu stellen und darüber zu sprechen. Mitarbeiter sollen mit diesem Konflikt nicht allein gelassen werden. Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, was geht und was nicht geht. Wir leben in einer überregulierten Gesellschaft und häufig leiden die Mitarbeiter darunter, dass sie an der Arbeit gehindert werden. Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitern das Gefühl von Sicherheit und Schutz geben. Eine Aufgabe von Führung ist es, im Dialog mit den Beschäftigten zu sein und zu schauen, welche Rituale überflüssig sind und abgeschafft werden können. Im klassischen Meeting werden keine Lösungen erarbeitet, das heißt aber nicht, dass man nicht andere Räume für Fragen und Probleme schaffen kann.
Zunächst haben wir nach einer Vorstellungsrunde im Rahmen unserer Veranstaltung verschiedene provokante Fragen diskutiert.
Frage 1
Aus der Gruppe wurde über die Erfahrung berichtet, dass es in den meisten Fällen zwei Arten von überforderten und gestressten Mitarbeitern gibt. Typ 1.: Der ständig klagt, dass er seine Arbeit nicht bewältigt, aber darüber mit leuchtenden Augen berichtet. Es entsteht der Eindruck, dass der positive Mehrwert darin besteht gebraucht zu werden und nicht das Leiden überwiegt. Typ 2.: Der immer am Limit seiner Leistungsfähigkeit ist. Er schafft es aber nicht Nein zu sagen. Bei diesem Typ geht es darum, sein Selbstbewusstsein zu fördern, auch Aufgaben abzulehnen und klar zu kommunizieren, wo seine Leistungsgrenze ist. Dies muss in einem angstfreien Umfeld geschehen, ohne dass derjenige mit negativen Konsequenzen rechnen muss. Als Führung muss man die individuellen Leistungsgrenzen seiner Mitarbeiter erkennen. Häufig haben solche Mitarbeiter viel zu hohe Erwartungen an sich selbst, die gar nicht realisierbar sind. Aufgabe einer Führungskraft ist es, das Gespräch zu suchen und gemeinsam zu überlegt, was eine Aufgabe fordert und damit abzugleichen, was der Beschäftigte meint leisten zu müssen.
Frage 2
Es ist abzusehen, dass immer mehr Tätigkeiten, die algorithmisch zu erfassen sind, von Robotern übernommen werden. Allerdings gibt es auch Menschen, die in vermeintlich monotonen Arbeiten einen Sinn sehen, z.B. die Arbeit an Maschinen. Wichtig ist, dass eine Arbeit sinnstiftend ist.
Was ist in diesem Zusammenhang überhaupt kreative Arbeit? Kreativ ist es, etwas Neues für das gleiche Problem zu entwickeln.
Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Herausforderungen und Fähigkeiten herzustellen. Im besten Fall stellt sich ein als beglückend erlebtes Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit ein (Flow).
Die Definitionen von Flow/Kohärenzgefühl finden Sie hier:
Definition von Flow (Csikszentmihalyi)
Den Flow herstellen kann nur jeder selbst.
Aber eine Führungskraft kann Bedingungen schaffen, die das Herstellen von solchen Situationen fördert.
Frage 3
Diese Frage wurde in Kleingruppen diskutiert, konnte aber in der großen Runde nicht mehr erörtert werden.