Buurtzorg (Pflegeeinrichtung in den Niederlanden)

Buurtzorg, bedeutet auf Deutsch „Betreuung in der Nachbarschaft”, wurde von Jos de Blok – selbst Pfleger und heutiger Geschäftsführer – 2006/2007 mit einem kleinen Team von PflegerInnen gegründet. Grund war die Unzufriedenheit der PflegerInnen mit den Entwicklungen in der mobilen Pflege in den Niederlanden seit den 80er/90er Jahren, die durch komplexe Planungsprozesse, strikte Ziel- und Zeitvorgaben und sehr ausdifferenzierte Tätigkeitsprofile der Pflegekräfte geprägt war.

Buurtzorg startete 2006/2007 mit einem völlig anderen Ansatz. Anknüpfend an die Tradition der „community nurses“, die bis in die 80erJahre in den Niederlanden verbreitet waren, planen und gestalten autonome, hoch qualifizierte PflegerInnen-Teams von bis zu 12 Pflegekräften den gesamten Pflegeprozess selbst. Dazu gehören: Pflegebedarfserhebung, Arbeitsplanung im Team, Aufnahme neuer MitarbeiterInnen, Koordination, Aufbau formeller und informeller regionaler Netzwerke, Weiterbildung, Entwicklung innovativer Projekte, Verwaltung der Team-Finanzen inkl. eines eigenen Weiterbildungsbudgets, etc.

Voraussetzung für die hohe Autonomie in den Teams war, das nicht die einzelnen Pflegeleistungen, sondern nach Zeit in den Niederlanden mit den Krankenversicherungen abgerechnet wird. Das Organisationsmodell ist also nicht eins zu eins in Deutschland übertragbar. Trotzdem lohnt es sich die Arbeitsorganisation von Buurtzorg anzuschauen und zu überlegen, ob einzelne Aspekte übertragbar sind oder das Modell für andere Branchen interessant sein kann.

Die Beiträge des Buurtzorg-Modells zu einem neuen Paradigma moderner Arbeits- und Organisationsformen umfassen u.a. folgende Aspekte:

1. Strukturelle Aspekte

Organisationsstruktur: Autonome Teams, bei Bedarf unterstützt durch Berater

Koordination: Besprechungen nur bei Bedarf, keine Hierarchie

Funktionsbeschreibung: Kein mittleres Management, Aufgaben werden gleichberechtigt im Team verteilt

2. Personalmanagement

Einstellungsgespräche: Job-Interviews durch die künftigen KollegInnen im Team, Fokus auf Kompatibilität mit dem Team und den Organisationszielen

Personaleinführung/Weiterbildung: Fokus auf soziale Kompetenzen, Organisationskultur und ergänzende Weiterbildungen, je nach individuellem Bedarf gemeinsame Workshops

Flexible Arbeitszeiten: Individuelle Freiheiten bei Einhaltung der verbindlich vereinbarten Ziele

Beförderungen: Nicht vorgesehen, Rollenflexibilität nach gemeinsamer Vereinbarung im Team, weitreichende Mitspracherechte aller MitarbeiterInnen, keine Hierarchie im Team

Entlassungen: Nur als letzter Schritt nach Konfliktmediation

3. Arbeitsorganisation und Management

Arbeitsteilung: Teams verteilen gemeinsam Teamrollen, ganzheitliche Erfüllung der individuellen Aufgaben

Meetings: Spezielle Meetings nur, um sicher zu stellen, dass alle Meinungen gehört werden

Entscheidungsfindung: Jeder darf Entscheidungen im Team fällen, muss aber zuvor Meinungen einholen: a.) von MitarbeiterInnen die fachliche Kompetenzen aufweisen und b.) von MitarbeiterInnen, die vom Thema betroffen sind. Entscheidungen, die alle MitarbeiterInnen betreffen, werden im Firmennetzwerk transparent eingestellt und von den MitarbeiterInnen kommentiert.

Informationsfluss: Sämtliche Informationen sind in Realzeit über das Firmennetzwerk verfügbar, Transparenz auch gegenüber den Partnerorganisationen

Strategieentwicklung: Basiert organisch auf der Zusammenführung der Beiträge aus den autonomen Teams

Quelle: Frederic Laloux, Reinventing Organizations, Vahlen Verlag