FAVI ist eine Messinggießerei im Norden Frankreichs, die unter anderem Getriebegabeln für die Automobilindustrie produziert.
Das Unternehmen wurde 1950 gegründet und jahrzehntelang traditionell geführt: Geschäftsführer, Leitungsgremium (für Verkauf, Personalentwicklung, Finanzen u.a.), einem Produktionsleiter, Abteilungsleitern, Werkstattleitern und Teamleitern, die mit den Beschäftigten interagierten.
1983 kam Francois Zobrist als neuer Geschäftsführer in das Unternehmen, der die Organisation komplett umstrukturierte.
Heute ist das Unternehmen in selbstführende Kleinfabriken unterteilt. Die meisten davon sind für bestimmte Kunden zuständig: Es gibt ein Volvo Team, ein Volkswagen Team etc. Daneben gibt es vorgelagerte Produktionsteams (das Gießerei Team, das Gussformen-Team, sowie Unterstützungsteams, wie das Ingenieurteam, das Verkaufsteam usw.). Über den Teams gibt es keine Managementebene und kein Leitungsteam neben dem CEO.
Die Erfolge des Unternehmens sind außergewöhlich. Alle Mitbewerber sind nach China gegangen, um mit günstigeren Arbeitskräften zu arbeiten. FAVI ist der einzige Produzent, der in Europa bleiben konnte und hält einen Marktanteil von 50 Prozent bei seinen Produkten. Die gelieferte Qualität und die Einhaltung der Liefertermine sind legendär. Die Gewinnmargen von FAVI sind so hoch, dass die Beschäftigten in den meisten Jahren das Einkommen von 16 oder 17 Monaten erhalten.
Wie radikal FAVI durch Selbstführung verändert wurde, kann man gut am Beispiel zeigen, wie dort mit Bestellungen umgegangen wird.
Früher:
- Verkaufsmanager erhält eine Kundenbestellung und beauftragt einen Mitarbeiter der Verkaufsabteilung die Bestellung aufzunehmen.
- Die Planungsabteilung gab dem Auftrag ein geschätztes Versanddatum und fügt dem Gesamtplan die benötigten Maschinenzeiten hinzu.
- Einen Tag vor Produktionsbeginn legte die Planungsabteilung fest, welches Werksstück auf welcher Maschine produziert wurde.
- Auf Grundlage dieses Plans legte die Personalabteilung den Einsatz der Arbeiter an den Machinen fest.
- Die Arbeiter erscheinen und tun was man ihnen sagt. Sie wussten nicht, ob die Auftragslage gut war und für welchen Kunden sie produzierten.
- Diese Arbeitsteilung war für Management und Arbeiter eine Black Box. Wenn der Liefertermin nicht gehalten werden konnte, dann war das Management kaum oder nicht in der Lage zu erklären, woran das lag.
Heute: - Einmal in der Woche trifft sich der Kundenmanager der Audi Kleinfabrik mit seinem Team-Kollegen.
- Er teilt ihnen die Bestellungen für diese Woche mit.
- Alle wissen wie es um die Auftragslage steht.
- Die Planung geschieht sofort im Team und man einigt sich gemeinsam auf ein Lieferdatum.
Meetings erfolgen nur, wenn sich besondere Fragestellungen ergeben:
- Der chinesische Konkurent hat einen niedrigeren Preis geboten….. Können wir dieses Angebot unterbieten?
- Die Arbeiter beraten, bei welchen Arbeitsprozessen Einsparungen erfolgen können.
Ergebnis:
Die Arbeiter brauchen keine Zielvorgaben. Sie stehen dem Kunden und Mitbewerbern direkt gegenüber und wissen, dass ihr Job davon abhängt, dass sie ihre Arbeit gut erledigen und kluge Entscheidungen treffen. Sie sind stolz auf ihre Arbeit und die Fähigkeit sich selbst zu organisieren.
Quelle: Frederic Laloux, Reinventing Organizations, Vahlen Verlag